Fahrradhelm – eine kleine Abhandlung
Ich habe echt lange überlegt, ob ich diesen Beitrag über den Fahrradhelm überhaupt schreiben soll, denn eigentlich sollte es heutzutage selbstverständlich sein, beim Fahrradfahren einen Helm zu tragen. Im Gegensatz zur Skipiste, wo heutzutage fast jeder einen Helm trägt, fallen mir immer noch zu viele Fahrradfahrer im Straßenverkehr auf, die „oben ohne“ fahren. Nicht die Radsportler, diese tragen mittlerweile mit ganz wenigen Ausnahmen bei Ausübung ihres Sports einen Fahrradhelm bzw. es ist bei offiziellen Veranstaltungen / RTF / Radrennen sowieso vorgeschrieben.
Aber viele Alltagsradler, die mal schnell zum Bäcker oder in die Arbeit fahren verzichten auf das Tragen eines Fahrradhelmes, dabei lauern gerade bei diesen Fahrten erhebliche Gefahren.
Fahrradhelm – die Pros
- Der Fahrradhelm schützt Deinen Kopf vor schlimmen Verletzungen bei einem Sturz oder Unfall
Die Hauptaufgabe des Helmes, ganz klar. Dein Kopf ist empfindlich und wenn Du damit auf dem Boden oder der A-Säule eines Autos aufschlägst kann das vielleicht glimpflich mit einer Beule ausgehen, Du kannst aber auch eine Gehirnerschütterung oder noch schwerwiegendere Verletzung erleiden, was wahrscheinlicher ist. Im Extremfall können diese Verletzungen sogar tödlich sein. Mach Dir mal die Kosequenzen einer schweren Verletzung klar, die Dich vielleicht zum Pflegefall machen oder töten und vor allem die Konsequenzen für Deine Familie oder Hinterbliebenen… - Der Fahrradhelm schützt Dich vor der Witterung
Das Targen des Helmes soll ja komfortabel sein und einen Zusatznutzen haben. Es gibt Helme mit Regenüberzug, so daß Dein Kopf im Regen nicht nass wird, es gibt Helme mit Visier, die Deine Augen schützen. Es gibt Helme mit Ohrenschützern, ähnlich wie beim Skihelm, um Deine Oren vor Kälte zu schützen. - Der Fahrradhelm komplettiert Deinen professionellen Style
Das betrifft jetzt vor allem sportlich ambitionierte Fahrer: alle Profis tragen Helme, also tragen auch alle Hobbyfahrer die diesen Profis nacheifern einen Helm. - Der Fahrradhelm macht Dich schneller
Auch wieder interessant vor allem für die Rennradfahrer: Ein Kopf mit Helm ist aerodynamischer und spart einige Watt, somit ist man schneller mit Helm! Vor allem mit einem Aero-Modell. - Der Fahrradhelm kann smart sein
Es gibt Fahrradhelme mit Sturzsensoren, die über ein gekoppeltes Smartphone automatisch Hilfe bei einem Sturz / Unfall rufen können. Es gibt Fahrradhelme mit Beleuchtung, damit Du im Dunkeln besser sichtbar bist. - Der Fahrradhelm kann wirklich chic sein
Die Zeiten der klobigen, hässlichen Fahrradhelme sind vorbei. Es gibt Modelle die sich von der Optik an Boardsportshelmen orientieren. Es gibt Helme mit Überzügen, die eher wie ein Hut aussehen. Es gibt Modelle, die einer Reitkappe ähneln.
Fahrradhelm – die Cons
Nachteile? Jein. Ich würde sagen wer seinen Kopf schützen will zieht einen Helm auf. Wer das nicht möchte, findet Gründe dafür:
- Ich fahre eh nicht so schnell
Wenn man bei niedrigen Geschwindigkeiten umfällt und wie ein Sack auf den Boden klatscht, passieren oft schlimmere Verletzungen als bei höheren Geschwindigkeiten. Nur mal so. Aber das Argument zielt auf etwas Anderes: Wer langsamer fährt, hat mehr Zeit zu reagieren, zu bremsen usw. Das setzt aber voraus, daß Du den anderen Verkehrsteilnehmer siehst, den anderen Verkehrsteilnehmer der Dich nicht sieht und deshalb über den Haufen fährt. D.h. Du musst jederzeit den kompletten Überblick über das gesamte Verkehrsgeschehen rings um Dich haben. - Ich passe auf
Du kannst soviel aufpassen wie Du willst. Wenn andere nicht aufpassen, das hast Du nicht in der Hand. Insbesondere Fußgänger ignorieren häufig die Existenz von Fahradfahrern und latschen unmittelbar und ohne sich umzuschauen auf den Radweg. Oder die Autofahrer die in die Nebenstraßen abbiegen und dabei den Radweg queren. - Der helm ruiniert meine Frisur
und ein schwerer Unfall vielleicht Dein ganzes Leben. - Ein Helm ist uncool
Hör ich oft von Jugendlichen. Hat auch ein Kumpel von meinem Sohn gesagt. An dem Tag als er mit dem Kopf in der Windschutzscheibe eines Autos gelandet ist, hatte er aus unerfindlichen Gründen den Helm trotzdem auf. (Schutzengel?) Das hat ihm das Leben gerettet. Er trägt seitdem immer einen Fahrradhelm. Ohne Diskussion. - Da schwitz ich so drunter
Fahr schneller, der Fahrtwind kühlt! - Ich bin schon alt, ich brauch keinen Helm mehr
Ja aber dann schau bitte wenn Du einen Unfall hast dass Du stirbst und uns allen nicht etwa als Pflegefall auf der Tasche liegst sondern durch Dein Ableben die Deutsche Rentenversicherung entlastest! Die Statistik hilft Dir dabei: Der weitaus größte Anteil durch Verkehrsunfälle getöteter Fahrradfahrer ist 65 Jahre oder älter.
Fahrradhelm, aber richtig!
Einen Fahrradhelm tragen ist schoneinmal ein guter Anfang. Ihn RICHTIG zu tragen entfaltet erst sein volles Potential an Schutz.
Gerade bei Kindern aber auch bei Erwachsenen sehe ich öfter als mir lieb ist schlecht sitzende Helme, die ihre Schutzwirkung nicht voll entfalten können. Dabei ist es nicht schwer einen Fahrradhelm richtig einzustellen, so daß er gut sitzt:
Setze ihn auf Deinen Kopf. Die Unterkante des Helmes sollte ca. 2 Finger breit über Deinen Augenbrauen sitzen. Stelle dann die Weite hinten am Helm ein (meistens ein kleines Rädchen), so daß der Helm fest auf dem Kopf sitzt. Die Gurte müssen so eingestellt werden, daß sie unmittelbar unterhalb Deiner Ohrläppchen zusammenlaufen. Unterm Kinn solte der Gurt stramm eingestellt sein ohne aber zu fest zu sein. Das Blut sollte weiter zirkulieren und die Atmung nicht beeinträchtigt sein. Als Probe kannst Du nun versuchen den Helm an der Stirnkante nach oben zu drücken. Gelingt Dir das, sitzt er zu locker.
Beliebte Fehler sind:
- die Gurte falsch eingestellt oder zu lose (oder sogar offen!). So kann der Helm bei einem Sturz verrutschen oder gar abfallen!
- Eine dicke Mütze unter den Helm ziehen (oft bei Kindern). Der Helm ist dann zu klein und kann den Kopf nicht richtig umschliessen, sondern sitzt obendrauf. Meistens wird dann noch der Gurt am Kinn länger gestellt, dass man ihn überhaupt noch schliessen kann. Das ist natürlich kacke. Es gibt gute, dünne Mützen die unter Helmen getragen werden können und gut vor Kälte schützen. Man muss oft nur die Helmweite ein wenig größer einstellen und der Helm sitzt trotz Mütze wie gewohnt.
- den Helm zu weit hinten tragen. Auch oft bei Kindern. Die Stirnkante des Helms sitzt am oder sogar hinter dem Haaransatz. Somit ist die Stirn und das Gesicht bei einem Sturz komplett ungeschützt. Diese Tragweise resultiert manchmal aus dem falschen Glauben heraus, den Hinterkopf des Kindes besonders gut schützen zu wollen. Der ist aber durch die Konstruktion des Helmes sowieso gut geschützt. Insbesondere Kinderhelme sind am Hinterkopf oft so gebaut, daß sie fast bis in den Nacken reichen.
Die Auswahl des richtigen Fahrradhelmes
Es gibt eine Menge guter Fahrradhelme. Du erkennst sie daran, daß sie nach den einschlägigen Normen geprüft wurden: EN 1080 und EN1078 für Kinderhelme. Etwas sicherer sind Helme die nach der niederländischen Norm NTA 8776 geprüft wurden. Diese wurde für S-Pedelecs bis 45 km/h entwickelt.
Immer mehr Hersteller setzen auch das sog. MIPS System ein. Es entkoppelt die Aussenschale des Helms von der Vergurtung am Kopf. Das System soll dadurch Drehimpulse beim Aufprall und die daraus resultierenden für das gehirn schädlichen Bescxhleunigungen reduzieren.
Ein nützliches Feature für Vielfahrer und Bequeme ist ein Fidlock Verschluss des Gurtes. Der Verschluss schliesst mit Hilfe eines Magneten und ist einhändig zu bedienen.
Für kleine Kinder sollte der Helm so leicht wie möglich sein. Der überproportional große Kopf ist schließlich schwer genug.
Größere Kinder sind mit einem robusten Helm mit einer stabilen Aussenschale am Besten bedient. Ein filigranes Rennmodell würde mit Sicherheit zu schnell kaputt gehen.
Der Helm sollte zu Guter Letzt unbedingt gefällig sein. Wenn er scheiße aussieht, wirst Du ihn nicht aufziehen. Und es ist auf jeden Fall eine gute Idee, wenn Du den Fahrradhelm in einem Fachgeschäft kaufst. Dort kannst Du anprobieren und bekommst eine fundierte Beratung.
Fahrradhelm Helmpflicht?
Eine mögliche Helmpflicht für Fahrradfahrer wird gerne kontrovers diskutiert (für die schnellen S-Pedelecs existiert übrigens eine Helmpflicht!). Da fühlen sich viele in Ihrer Freiheit eingeschränkt, wenn ihnen so etwas wie eine Helmpflicht vorgesetzt wird. Ich erinnere mich noch gut an die Einführung der Anschnallpflicht bei uns im PKW. Was wurden da für hanebüchene Argumente gegen den Gurt vorgebracht. Heute spricht da keiner mehr drüber und jedem ist klar, daß der Gurt im PKW Leben rettet. In Australien, wo Anfang der 90er Jahre sukzessive eine landesweite Helmpflicht für Fahrradfahrer eigeführt wurde, halbierte sich daraufhin die Anzahl der tödlichen Fahrradunfälle.
2021 kamen in Deutschland 372 Fahrradfahrer bei Unfällen im Straßenverkehr ums Leben.
Insofern denke ich, daß man die Menschen manchmal zu ihrem Glück zwingen muss. Ich persönlich trage jedenfalls immer einen Fahrradhelm wenn ich mich auf mein Fahrrad setze und achte natürlich auch bei meinen Kindern darauf, daß sie immer mit Fahrradhelm auf dem Velo unterwegs sind.
Fahrradhelm im Versicherungskontext
Es gibt tatsächlich auch einen Bezug zu Versicherungen: Manche Unfallversicherer erhöhen ihre Leistung, wenn bei einem Fahrradunfall ein Fahrradhelm getragen wurde.
Es gibt aber auch eine andere Seite: Wenn Du bei einem Fahrradunfall mit Beteiligung Dritter keinen Helm getragen hast, kann der gegnerische Haftpflichtversicherer versuchen Dir ein Mitverschulden anzuhängen. Denn Du hättest durch das Tragen eines Helmes das Verletzungsrisiko deutlich minimieren können. Das ist auch gar nicht so abwegig, denn auf den gegnerischen Haftpflichtversicherer kommen hohe Kosten zu. Diese versucht er natürlich unter Zuhilfenahme aller möglichen Rechtsmittel so weit als möglich zu reduzieren.